Raumfahrt für jedermann, das war die Idee des US-amerikanischen Raumfahrttechnikers Zachary Manchester: Statt großer und teurer Satelliten könnte man auch einen Schwarm billiger Mini-Satelliten ins All schicken, die für Privatpersonen erschwinglich sind. Er sammelte über das Internet Spenden, konstruierte die Mini-Satelliten (sogenannte „Sprites“) und organisierte den Transport ins Weltall.
Auch die Wissenschaftsredaktion Quarks von WDR 5 hat sich beteiligt und den kleinen Satelliten „Leo“ gekauft.
In einer großen Hörfunk-Serie habe ich über viele Wochen die Technik und die Abläufe des Projekts erklärt, über Forschung und Entwicklung der Mini-Satelliten berichtet und den Start ins Weltall begleitet.
Fallstricke im Weltraum
Am 16. März ist es soweit: Wir starten mit unserem eigenen Forschungssatelliten „Leo“ ins All. Gerade auf den letzten Metern könnte aber noch einiges schiefgehen. Ich stelle die möglichen „Last-Minute“-Fehler vor, die jetzt noch auftreten und die Mission gefährden können, ohne dass wir vom Boden aus helfen könnten.
Risiko: Batterien
Die Transportkiste, der „CubeSat“, musste der NASA bereits im Oktober einsatzfertig übergeben werden, die Batterien halten jedoch nur acht Monate. Sollte sich der Raketenstart weiter verzögern, könnte es sein, dass die Batterien leer sind, wenn der CubeSat im All ausgeworfen wird. In diesem Fall müsste er zusätzliche einige Zeit um die Erde kreisen, um seine Akkus wieder aufzuladen. Der CubeSat ist mit Solarzellen ausgestattet.
Risiko: Ausfahren der Antenne
Sollte die Antenne nicht korrekt ausgefahren werden, wäre es schwierig, das Funksignal auf der Erde aufzuspüren. Raumfahrttechniker Zac Manchester hat das Ausfahren jedoch gründlich getestet.
Risiko: Stabilisierung
Es kann passieren, dass sich der CubeSat nicht stabilisieren lässt. Dann werden die Sprites ausgeworfen, während er trudelt, und fliegen womöglich chaotisch durcheinander. Es kann passieren, dass sie dabei zusammenstoßen oder sich ihre Antennenschnüre verknoten. Es kann auch passieren, dass sich die Sprites drehen. Sie wachen dann nur auf, wenn eine ihrer flachen Seiten zur Sonne zeigt und die Solarzellen genug Licht bekommen, um Strom zum Funken zu produzieren. Dreht sich die Solarzellenseite wieder von der Sonne weg, erlischt das Funksignal wieder. Da jedoch 128 Sprites ausgeworfen werden, hält es Zac Manchester für wahrscheinlich, dass er immer irgendein Signal empfangen wird.
Risiko: Auswurf
Wenn die Sprites nicht ausgeworfen werden, ist die Mission gescheitert. Deshalb hat Zac Manchester Sicherheitsvorkehrungen getroffen: Sollte es ihm aus irgendeinem Grund nicht gelingen, Kontakt mit dem CubeSat aufzunehmen, um den Auswurfbefehl zu übermitteln, wird dieser nach einiger Zeit automatisch ausgelöst. Damit der Mechanismus die Erschütterungen des Raketenflugs übersteht und auch im Weltall noch funktioniert, ist er robust: Im Wesentlichen sind die Sprites mit einer Art Angelschnur gegen eine Sprungfeder festgebunden. Um diese Schnur ist ein Streifen Metall gewickelt, durch den Strom fließt – ähnlich dem Heizstreifen in einem Toaster. Der Streifen erhitzt sich, die Schnur schmilzt, und die Sprites werden ausgeworfen.
Aufbruch ins All
Unser Forschungssatellit „Leo“ ist im All! Der Satellit ist kaum größer als eine Briefmarke und gehört zu einem Studienprojekt für alternative Raumfahrttechniken. In einigen Wochen soll er das Funksignal W-D-R-5 zur Erde funken.
Start vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral
Gegen 21:30 Uhr unserer Zeit war es endlich soweit. In Cape Canaveral zündeten die Triebwerke der Falcon 9 Rakete der privaten Raumfahrtfirma SpaceX. Trotz eher mäßiger Wetterbedingungen hatte man am Countdown festgehalten. Die Entscheidung war offenbar richtig, denn in einem regelrechten Bilderbuchstart trug die Rakete ihre Nutzlast innerhalb weniger Minuten in die Erdumlaufbahn.
Derzeit befindet sich unser winziger Forschungssatellit, der Leo, noch in einer speziellen Transportkiste, gemeinsam mit 127 weiteren winzigen Satelliten. Auf der Hülle der Transportkiste sind aber alle Unterstützer des Studienprojektes verewigt. Der Schriftzug: Leo – WDR5 fliegt derzeit also durchs All.
Die einzelnen Schritte der Raumfahrtmission
- Launch/Start
Start für die Rakete – Der Flug „SpaceX CRS 3“ des privaten Raumfahrtunternehmens „SpaceX“ (Space Exploration Technologies Corporation) ist ein Versorgungsflug zur Internationalen Raumstation im Auftrag der NASA. An Bord sind aber auch die 128 Mini-Satelliten des jungen Raumfahrttechnikers Zac Manchester. Die Mission startet vom Kenndy Space Center am Cape Canaveral aus. Unser „Leo“ startet ins All. - 3 Minuten nach dem Raketenstart
Die erste Stufe der Falcon 9-Rakete wird abgetrennt. Die zweite Stufe zündet. - 10 Minuten nach dem Raketenstart
Die Dragon-Raumkapsel wird abgetrennt. Sie fliegt weiter zur Internationalen Raumstation und liefert notwendige Nachschubgüter. - 16 Minuten nach dem Raketenstart
Von der zweiten Stufe der Falcon 9-Rakete aus wird in rund 300 Kilometern über der Erde die „Transportkiste“, der sogenannte CubeSat ausgeworfen. Im Cubesat lagert der Schwarm der winzigen Satelliten, der Sprites, 128 Stück sind es. Der CubeSat wird vor einer Feder aus seiner Halterung geschoben; dabei wird ein Countdown von 50 Minuten ausgelöst. damit sich die Raumfähre weit genug entfernen kann, bevor die Sprites ausgeworfen werden. Der CubeSat mit dem Satelliten-Schwarm ist nun ein selbstständig fliegendes, kleines Raumschiff, an Bord unser Leo. - 1 Stunde und 6 Minuten nach dem Raketenstart
Nach der vorgeschriebenen Wartezeit von 50 Minuten schalten sich im CubeSat Strom und Funk ein. Die Transportkiste sollte nun Positionsdaten und Messwerte. Wissenschaftler der Cornell University in Ithaca, New York (USA), auch Funkamateure versuchen, das Signal aufzuspüren. Wirklich spannend wird es natürlich, wenn die winzigen Satelliten ausgewerfen werden und ihrerseits versuchen, die ersten Signale zur Erde zu funken. - 16 Tage nach dem Raketenstart
Der CubeSat, der etwa die Abmessungen einer Stange Toastbrot hat, ist so ausgerichtet, dass er mit seiner langen Achse auf die Sonne zeigt und sich dabei wie ein Nudelholz stabil um diese Achse dreht. Diese Ausrichtung sorgt dafür, dass die Sprites beim Auswerfen mit einer ihrer flachen Seiten, an denen die Solarzellen angebracht sind, zur Sonne zeigen. Die Drehbewegung ist wichtig, damit die Sprites aus einer stabilen Position heraus ausgeworfen werden und sich ein bisschen verteilen. Um diese stabile Drehposition zu erlangen, registrieren Sensoren an Bord, wie sich der CubeSat bewegt, und der Bordcomputer berechnet, wie er diese Bewegung mit Reaktionsrädern, kleinen Schwungmassen, die von Motoren angetrieben werden, ausgleichen kann. Sobald der CubeSat korrekt ausgerichtet ist, werden die Sprites ausgeworfen. Dann sollte auch unser „Leo“ durchs All treiben.
Empfang auf der Erde
Wir bleiben dran. Wenn alles klappt, sollen die ersten Signale des „Leo“ und seiner 127 Gefährten in einigen Wochen aus dem All gesendet werden und wir versuchen Sie zu empfangen. Mit etwas Glück empfangen wir dann das Signal W-D-R-5 aus den Weiten des Alls.
Nach dem Scheitern
Vor knapp drei Monaten ist unser kleiner Forschungssatellit „Leo“ verglüht. Nach massiven technischen Problemen findet die Mission damit ein unerwartetes Ende. Der „Leo“ war kaum größer als eine Briefmarke und gehörte zu einem Projekt für alternative Raumfahrttechniken. Doch was kommt für den Erfinder nach dem Scheitern der Mission?
Seit etwas mehr als drei Wochen war der „Leo“ im All. Funksignale konnten allerdings nicht empfangen werden. Der Grund dafür waren eine Reihe technischer Probleme beim Verteilen der winzigen Schwarmsatelliten. Die Mission ist gescheitert. In der Nacht bestätigte sich, dass die spezielle „Transportkiste“ der winzigen Satelliten, ein so genannter Cubesat, in den frühen Morgenstunden des 14. Mai 2014 in der Erdatmosphäre verglühte. WDR5 verabschiedet sich von seinem ersten eigenen Forschungssatelliten und einem Studienprojekt, dass die Wissenschaftsredaktion Leonardo fast zwei Jahre lang begleiten durfte, von der Idee eines Studenten bis zum tatsächlichen Flug in All.
Wir waren im All
Groß war die Freude bei den Unterstützern und Fans des Projektes, nachdem der Start ins All geglückt war. Nach zahlreichen Verschiebungen hatte am 18. April 2014 eine Falcon 9 Rakete den Cubesat mit dem Satellitenschwarm ins All getragen. Der Jubel war groß und die ersten Funksignale aus dem All wurden gespannt erwartet, dass sie ausbleiben würden, ahnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand.
Geplanter Missionsablauf
Eigentlich sollten in den frühen Morgenstunden des 5. Mai 2014 die ersten Funksignale der winzigen Schwarmsatelliten empfangen werden. Zu diesem Zeitpunkt befanden sie sich seit etwas mehr als zwei Wochen im Weltall, sicher verpackt in einem so genannten Cubesat, einer Art Trägersystem, oder einfach ausgedrückt, einer Transportkiste. Die sollte die winzigen Satelliten nach einem bewussten Zeitplan ausschleusen und im Orbit verteilen – eigentlich.
Alles zurück auf Null
Ein Computerabsturz führte dazu, dass alle Systeme auf Null zurückgesetzt wurden, darunter unglücklicherweise auch der Countdown zum Freisetzen der Schwarmsatelliten. Der Countdown begann von Neuem. Sie sollten später als ursprünglich geplant ausgeschleust werden und mit ihrer Mission beginnen. Das Problem dabei: Der Trägersatellit befindet sich in einem niedrigen Erdorbit und stürzt langsam zurück zur Erde. Bei seinem Wiedereintritt verglüht er in der Erdatmosphäre, zusammen mit dem Satellitenschwarm in seinem Bauch. Einzige Chancen: den Countdown überbrücken und die Satelliten früher ausstoßen oder darauf hoffen, dass der Trägersatellit sich lange genug in der Umlaufbahn hält.
Daten sammeln und Daumen drücken
Amateurfunker auf der ganzen Welt sammelten Informationen über den genauen Zustand des Trägersystems. Der Konstrukteur Zac Manchester versucht es umzuprogrammieren und das Ausschleusen der winzigen Satelliten früher einzuleiten. Diese Versuche schlugen fehlt. Die Batterieleistung des Trägersystems war soweit gefallen, dass der Bordcomputer keine Funkbefehle von der Erde annehmen konnte. Der wahrscheinlichste Wiedereintritt und das damit verbundene Ende der Mission wurde für den 14. Mai, plus/minus zwei Tage prognostiziert.
Warum nicht höher hinaus?
Bei einer höheren Umlaufbahn würde der Trägersatellit länger im All verbleiben. Allerdings bliebe er dann nicht nur wenige Wochen sondern schnell mehrere Monate im All. Ein Ausschleusen der Schwarmsatelliten würde dann ein Risiko bedeuten, da auch sie über lange Zeit im All verbleiben würden. In so einem Fall wären sie irgendwann zu Weltraumschrott geworden, der andere Satelliten oder Raumfahrtprojekte hätte gefährden können. Um genau dies zu vermeiden, wurde das Studienprojekt in einem niedriegen Erdorbit ausgesetzt.
11.03. – 14.05.2014
WDR 5, Quarks
Bilder: WDR, Zac Manchester, Aeneas Rooch
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