Vor etwa 10.000 Jahren veränderten sich das Klima, die Landschaft und die Tierwelt – und damit auch die Lebensweise der Menschen. Die Blätterhöhle ist eine der wichtigsten Orte, um diesen Wandel in Deutschland zu erforschen, da hier, in und vor der Höhle, Spuren aus verschiedenen Phasen der Steinzeit zu finden sind.
Die Blätterhöhle liegt an einem felsigen Hang, wenige Meter von einer stark befahrenen Landstraße entfernt. Die Archäologen, die hier arbeiten, haben Seile gespannt, an denen sie sich bei dem kurzen Aufstieg von der Straße zur Höhle hinauf festhalten können, um nicht auf dem steilen, matschigen Waldboden auszurutschen.
Ein Teil der Ausgrabung findet vor dem Eingang der Höhle am Fuß eines steil aufragenden Felshangs im Freien statt. Die Ausgrabungsstelle, eine Fläche etwa von der Größe einer Garage, haben die Archäologen mit grünen Plastikplanen überspannt, um sie vor Regen zu schützen. Unter der Plane graben sie sich systematisch durch den Boden, untersuchen Erdschichten und vermessen und katalogisieren, was sie finden: Reste von Steinwerkzeugen, Holzkohle und Knochen.
Der andere Teil der Ausgrabung findet unten in der Höhle selbst, tief im Fels, statt. Der Eingang zur Höhle befindet sich direkt in der Felswand, unmittelbar neben der mit der grünen Plane überspannten Ausgrabungsstelle. Es ist eine kleine Metalltür, die in die Felswand eingelassen ist, kleiner als eine Backofenklappe.
Wer in der Höhle arbeiten will, muss auf Bauch und Ellbogen durch diese Öffnung krabbeln. Es ist zwar die engste Stelle, doch der Gang im Inneren, der durch den rohen Fels in die Tiefe führt, ist nur unwesentlich höher: Er ist etwa einen halben Meter breit und hoch, so dass man hier nicht einmal sitzen kann. Halb liegend, halb auf allen Vieren müssen die Archäologen durch den engen Gang kriechen. Die beschwerliche Kletterpartie über den lehmigen, kühlen Kalkstein dauert ein paar Minuten. Es geht ungefähr 20 Meter in die Tiefe, dann öffnet sich, nach einer Engstelle, durch die man sich nur seitlich hindurch quetschen kann, der Höhlenraum.
Er ist etwa so groß wie das Innere eines Autos. Hier kann man sitzen oder sogar leicht gebückt stehen. Bei drei oder vier Personen ist die Höhle bereits überfüllt. Die Archäologen haben hier sogenannte Profile angelegt, das heißt, sie haben während ihren Ausgrabungen darauf geachtet, dass eine senkrechte Wand stehenbleibt, an denen sie die Schichtungen von Erde und Gestein untersuchen können. Auch kleine Holzkohlestücke und Knochen sind in der Wand zu erkennen. An der Decke und an den Wänden der Höhle haben die Archäologen Nägel eingeschlagen und mit kleinen Plastiketiketten versehen. Diese Markierungen helfen ihnen, die Höhle und die Schichten mit den archäologischen Funden zu vermessen sowie exakt zu beschreiben, wo sie welche Fundstücke entdeckt haben.
Die Archäologen tragen rote, strapazierfähige Schutzanzüge über ihrer Kleidung, sogenannte Schlatze; sie schützen vor Kälte, Feuchtigkeit und vor allem dem Höhlenlehm. Außerdem tragen sie Helme, da sich auch die erfahrenen Höhlengänger in der Enge immer wieder den Kopf stoßen. Außerdem ist es so dunkel, dass sie ohne eine Lampe auf dem Helm nichts sehen.
In der Kühle des Kalksteins, geschützt vor Wind und Wetter, sind zahlreiche Relikte aus der Steinzeit erhalten geblieben. Um sich hier dauerhaft aufzuhalten, ist die Höhle zu klein – man kann nur mit Mühe hinein klettern und kein Feuer machen, sie war als Wohnraum unbrauchbar. Die Menschenknochen, die hier unter anderem gefunden wurden, deuten deshalb darauf hin, dass hier in der Höhle Tote bestattet oder zumindest entsorgt wurden.
Februar 2018
Serie „Die Durchblicker – Wissensreportagen von der Ostsee bis zum Bodensee“
Bayern 2, NDR Info, WDR 5
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